LG Heilbronn stellt merkantilen Minderwert aufgrund eingebauter Schummelsoftware fest
Landgericht Heilbronn: unzulässige Software stellt merkantilen Minderwert dar. Käufer eines Audi Q3 darf Kaufvertrag rückabwickeln.
Der Einbau einer unzulässigen Schummelsoftware zur Motorsteuerung führt nach Ansicht des LG Heilbronn, Az. 9 O 111/16 zu einem merkantilen Minderwert des Fahrzeugs, der nicht nachgebessert werden kann!
Ein merkantiler Minderwert entsteht u.a., wenn die Reparatur allein nicht zur Entschädigung des Gläubigers ausreicht. Selbst wenn das Fahrzeug ordnungsgemäß repariert wurde und wieder voll funktionstüchtig ist, kann es sein dass der Markt das Fahrzeug mit einem niedrigeren Preis bewertet als ein vergleichbares Fahrzeug, welches nicht repariert werden musste. Diese Differenz wird als merkantiler Minderwert bezeichnet. Der Schädiger muss den merkantilen Minderwert zusätzlich zum Reparationsaufwand ausgleichen.
Gerade im Kfz-Bereich hat der merkantile Minderwert eine große Bedeutung. Nämlich dann, wenn wegen dem Verdacht von verborgen gebliebenen Schäden ein geringerer Preis für ein "beschädigtes Fahrzeug" gezahlt wird als es, im Vergleich zu baugleichen Fahrzeugen, eigentlich Wert wäre.
Aufgrund des merkantilen Minderwerts war der Käufer eines neuen Audi Q3 berechtigt den Kauf rückabzuwickeln.
Der Kläger hatte vom Beklagten einen Neuwagen des Typs Skoda Octavia Combi 2.0 TDI erworben. Allerdings stellte sich im Zuge des VW-Abgasskandals heraus, dass der Motor des Fahrzeugs mit einer sogenannten "Schummelsoftware" ausgestattet war. Als Reaktion auf diese Enthüllung verlangte der Kläger vom Beklagten die Nachlieferung eines mangelfreien Ersatzfahrzeugs, da der Kläger die Programmierung der Motorsteuerung als Sachmangel ansah. Die Mangelhaftigkeit der Motorsteuerung ergebe sich insbesondere daraus, dass die im gewöhnlichen Fahrbetrieb erzeugten Stickoxidwerte oberhalb der Euro-5-Norm lägen. Dies führt dazu, dass das Fahrzeug nicht zulassungsfähig sei.
Auch macht der Kläger geltend, dass die eingebaute Schummelsoftware gem. § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht der Beschaffenheit entspreche, die bei Fahrzeugen gleicher Art üblich ist und die beim Kauf nach Art der Sache erwartet werden kann. Erschwerend komme aus Sicht des Klägers hinzu, dass mittels des vom Hersteller entwickelte Software-Updates nicht folgenlos nachgebessert werden könne, da zum momentanen Zeitpunkt offen gewesen wäre, ob und wenn ja wann durch den Hersteller nachgebessert werden könne. Des Weiteren trägt der Kläger vor, dass der Beklagte das Fahrzeug zu Unrecht, in dem von ihm verwendeten Verkaufsprospekt, als besonders umweltfreundlich angepriesen hat. Darauf hatte der Kläger jedoch vertraut. Zwar wurde das Verkaufsprospekt nicht von dem Beklagten, der als Fahrzeughändler auftrat, sondern von dem Hersteller in Umlauf gebracht aber nach Ansicht des Klägers müsse sich der Beklagte als Erfüllungsgehilfe des Herstellers die irreführenden Prospektangaben zurechnen lassen.
Der Kläger verlangte daher vom Beklagten ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug. Dies Zug um Zug gegen die Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs.
Gegenüber dem Begehren des Klägers wandte der Beklagte ein, erst nach Abschluss des Kaufvertrags von der Schummelsoftware bei der Motorsteuerung erfahren zu haben. Außerdem solle es sich bei der Software zur Motorsteuerung nicht um einen Sachmangel handeln. Zumindest aber solle eine Nachlieferung unverhältnismäßig sein, da die Umrüstung weniger als 100 € kosten würde.
Das LG Zwickau folgte in seinem Urteil jedoch nicht den Argumenten des Beklagten sondern sah einen Sachmangel des Fahrzeugs durch die installierte Software zur Motorsteuerung als gegeben an. Weiter stellt das Gericht fest, dass der festgestellte Sachmangel dem Kläger das Recht verleiht Nacherfüllung zu verlangen. Dies resultiert daraus, dass es dem Käufer gem. § 439 Abs. 1 BGB grundsätzlich frei steht, ob er Lieferung einer mangelfreien Sache oder die Beseitigung des Mangels verlangt. Weiter führt das LG Zwickau aus, dass der Anspruch des Käufers auf Nachlieferung von einem Verschulden des Verkäufers unabhängig ist. Auch eine auf § 439 Abs. 3 BGB gestützte Verweigerung der Nachlieferung wegen Unverhältnismäßigkeit lehnte das Gericht ab. Ebenso soll ein Festhalten am Nachlieferungsanspruch auch nicht treuwidrig nach § 242 BGB sein. Des Weiteren stellte der Richter fest, dass der Kläger dem Beklagten keinen Wertersatz für die Nutzung des mangelhaften Fahrzeugs schuldet, da der Käufer als Verbraucher gehandelt hat.