Haften Mütter für ihre Kinder...
Sep 2016
...bei Ladendiebstahl
Eine Mutter kaufte mit ihrem Baby in einem Drogeriemarkt ein. Nach Bezahlen der Waren und dem Passieren der Kasse wurde sie von einem Ladendetektiv angesprochen. Dieser fragte nach, ob er mal einen Blick in ihren Kinderwagen werfen dürfe. Die Frau willigte ein.
In den Händen des Babys entdeckte er eine Haarkur im Wert von 65 Cent, die nicht bezahlt wurde. Die Folge war, dass man die Frau festhielt und diese komplett alle Taschen, den Kinderwagen etc. vor dem Ladendetektiv und der Filialleiterin ausräumen musste.
Obwohl die Frau mehrfach versuchte zu erklären, dass sie den "Diebstahl" (besser Griff) des Babys nicht bemerkt habe (Kinder greifen nun mal unwillkürlich nach den verschiedensten Dingen), musste die Frau eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 75 Euro bezahlen und bekam deutschlandweites Hausverbot in allen Filialen der Drogeriemarktkette. Die Frau ließ alles über sich ergehen, weil sie die Angelegenheit rasch zum Abschluss bringen wollte.
Doch aus dem Plan wurde nichts. Acht Monate später erreichte sie ein Strafbefehl des zuständigen Amtsgerichts. 20 Tagessätze zu je 10 Euro, so der Beschluss. Die Frau akzeptierte auch die Strafe, bezahlte diese und kauft von nun an sicher woanders ihre Kosmetikartikel ein.
Doch wäre hier die Einschaltung eines Anwaltes sinnvoll gewesen? Im vorliegenden Fall war die vom Markt erhobene Gebühr in Höhe von 75 Euro um das 115-fache höher als der Preis des vermeintlich gestohlenen Artikels. Selbst wenn die Frau den Artikel selbst geklaut hätte, was anhand der sonstigen Umstände eher zweifelhaft erscheint, da sie alle anderen waren bezahlt hat, wäre die "Bearbeitungsgebühr" hier unangemessen gewesen. So entschied ein deutsches Amtsgericht in einem anderen Fall, bei dem es um eine Teewurst im Wert von 1,99 Euro ging. Auch dort wurde die erhobene 75-Euro-Gebühr als unverhältnismäßig eingestuft.
Aus strafrechtlicher Sicht hätte die Mutter Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen können. Da in Deutschland der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, hätte das Gericht beweisen müssen, dass die Tatbestandvoraussetzungen eines Diebstahls vorliegen. Es ist nicht etwa so, dass sich ein Beschuldigter entlasten muss. Jedenfalls steht es so in schlauen Büchern.
Im vorliegenden Fall wäre unter Zugrundelegung des "Tathergangs" wohl lediglich ein "fahrlässiger Diebstahl" in Betracht gekommen. Wer diesen in unserem Strafgesetzbuch findet, dem solle die Richtereigenschaft zukommen, denn ein Diebstahl ist in unserem Rechtssystem nur vorsätzlich begehbar.
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