OLG Stuttgart aktuell: Kündigung durch die Bausparkasse unwirksam
Apr 2016
Ansparbetrag muss weiter verzinst werden.

Erstmals gibt es eine Schlappe in höherer Instanz für die Bausparkassen. Konkret geht es im jüngsten Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart um einen Vertrag der Wüstenrot aus dem Jahr 1978 mit einer Bausparsumme in Höhe von 40.000,00 DM, umgerechnet also 20.451,68 EUR. Die Garantieverzinsung auf das Guthaben während der Sparphase betrug 3 % p.a., der Bauspardarlehenszins lag bei 5 % p.a. 1993 wurde der Vertrag bereits zuteilungsreif. Seit diesem Zeitpunkt stellte der Bausparer die regelmäßigen Sparzahlungen ein, das Darlehen nahm er nicht in Anspruch. Rund 22 Jahre später kündigte die Bausparkasse den Vertrag, in welchem sich ein Guthaben in Höhe von 15.000,00 EUR befand. Die Maximalbesparung war demzufolge noch nicht erreicht. Bis dato gibt es dahingehend etwa 200 Urteile, 90 % davon zugunsten der Kassen. Nun entschied ein höheres Gericht erstmals zugunsten des Bausparers.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass das LG Stuttgart in erster Instanz die Klage des Bausparers gegen die Kündigung abgewiesen hat, der 9. Zivilsenat des OLG hielt die Kündigung der Wüstenrot hingegen für unberechtigt. Der bereits angesproche § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB greife hier als Kündigungsgrund nicht. Auch analog sei die Vorschrift, entgegen der Auffassung der Bausparkasse, hier nicht anwendbar. Zum besseren Verständnis sei exkursiv erwähnt, dass eine Vorschrift dann analog angewendet werden kann, wenn eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, der Gesetzgeber also einen bestimmten Sachverhalt versehentlich nicht geregelt hat, und zusätzlich eine vergleichbare Interessenlage zum geregelten Fall gegeben ist.
Zwar ist die überlange Vertragsdauer dem Umstand geschuldet, dass der Sparer die Einzahlungen in den Vertrag gestoppt hat, die Kasse hätte dies aber nicht hinnehmen müssen. Sie hätte den Kunden zur weiteren Besparung auffordern können. Leistet der Sparer dann dieser Aufforderung nicht Folge, so besteht einen kurzes vertragliches Kündigungsrecht zugunsten der Bausparkasse. Hiervon hat die Wüstenrot keinen Gebrauch gemacht. Wäre der Vertrag ordnungsgemäß weiter bespart worden, so wäre die Maximalbesparung zehn Jahre nach Zuteilungsreife erreicht worden, was ein Kündigungsrecht für die Bausparkasse mit sich gebracht hätte. Erlaubt die Kasse hingegen ein Ruhen des Vertrages und nutzt somit ein ihr eigentlich zustehendes Kündigungsrecht nicht, so verliert sie ihre Schutzwürdigkeit. Eine Anwendung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB scheidet dann, auch analog, aus.
Die Revision zum Bundesgerichtshof hat das OLG Stuttgart zugelassen. Die weitere, höchstrichterliche Entscheidung bleibt abzuwarten.