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Urteilssammlung

LG Augsburg gewährt fabrikneues Ersatzfahrzeug

30.06.2017, Az. 34 O 753/16

Der Kläger erhält ein fabrikneues Ersatzfahrzeug!

Das Landgericht Augsburg hat in seiner Entscheidung vom 30.06.2017, Az. 34 O 753/16 entschieden, dem Kläger als Ersatz für sein manipuliertes Auto ein typengleiches fabrikneues Fahrzeug zuzusprechen. Der Kläger muss im Gegenzug sein manipuliertes Auto zurückgeben.

Der Kläger hatte bei der Beklagten einen VW Sharan Highline mit einem Dieselmotor gekauft. Die Beklagte ist ein Autoverkäufer und 100 %-ige Tochter der Volkswagen AG. Im Zuge des VW-Abgasskandals stellte sich heraus, dass in dem erworbenen Fahrzeug eine illegale Abgassteuerung verbaut ist, welche den Abgasaustoß auf dem Prüfstand drosselt.

Nachdem dies dem Kläger bekannt wurde rügte er die Manipulation der Motorsteuerung und forderte die Beklagte auf das Fahrzeug nachzubessern. Der verklagte Autoverkäufer kündigte daraufhin eine Nachbesserung durch Aufspielen einer aktualisierten Motorsoftware an. Dies sollte aus Sicht des Autoverkäufers ausreichen, um bei dem gekauften Fahrzeug einen ordnungsgemäßen Zustand und korrekte Zulassungsbedingungen herzustellen.

Aus Sicht des Klägers erscheint es jedoch durchaus möglich, dass durch das Aufspielen der neuen Motorsoftware sich die Leistung des Motors, der Kraftstoffverbrauch und der Verschleiß verschlechtern. Des Weiteren bestreitet auch der Beklagte nicht, dass das Fahrzeug durch das Softwareupdate mehr von dem Zusatzmittel "AdBlue" verbraucht. Als Ausgleich für diesen Mehrverbrauch bietet der Autohändler Gutscheine für "AdBlue" an, was der Kläger aber nicht akzeptiert. Nach Überzeugung des Klägers sei die Abgasmanipulation durch den Hersteller erfolgt, um sich einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Insbesondere durch das Einsparen von Entwicklungskosten. Auch würden die negativen technischen Auswirkungen des Softwareupdates, aus Sicht des Klägers, zu einer dauerhaften Wertminderung des Fahrzeugs führen.

Die illegale Abgassteuerung führe weiter dazu, dass dem Auto ein Makel anhafte, der sich auch nicht durch ein Softwareupdate des gleichen Herstellers beheben lasse. Auch ist eine vollständige Mangelbeseitigung nicht möglich, da das Softwareupdate unstreitig zu einem Mehrverbrauch von "AdBlue" führen würde. Aufgrund der unzutreffenden Verkaufsangaben soll daher ein erheblicher Mangel an dem Fahrzeug vorliegen, der auch nicht durch Nachbesserung beseitigt werden kann. Nach § 439 Abs. 1 BGB bleibt als Alternative nur die Lieferung einers neuen mangelfreien Fahrzeugs. Da das Fahrzeug aus Sicht des Klägers eine Gattungsschuld darstellt ist die Nachlieferung auch möglich. Des Weiteren soll dem Autoverkäufer das Verhalten des Autoherstellers zurechenbar sein. Demnach wäre dem Autoverkäufer die Nachlieferung auch zumutbar.

Der Kläger beantragte daher, dass die Beklagte ihm ein fabrikneues mangelfreies Ersatzfahrzeug nachliefere. Dieses solle aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers stammen und die gleiche technische Ausstattung aufweisen, wie das mangelhafte Fahrzeug. Im Gegenzug wolle der Kläger das manipulierte Fahrzeug an den Beklagten zurückgeben.

Die Beklagte möchte die Klage abweisen lassen.

Aus ihrer Sicht ist das Auto voll fahrtüchtig. An dieser Gebrauchstauglichkeit und an den weiteren Fahrzeugeigenschaften würde sich auch durch die anvisierte Nachbesserung nichts ändern. Einzige Ausnahme soll laut Beklagten ein Mehrverbrauch an AdBlue sein. Die Beklagte sieht die Kosten einer Neulieferung in Höhe von 55.000,00 € im Vergleich zur Nachbesserung durch Softwareupdate mit Kosten in Höhe von 100,00 € als unangemessen an.

Außerdem soll nach Ansicht der Beklagten ein Mangel im juristischen Sinne gar nicht vorliegen. Begründet wird dies damit, dass es einem Käufer bei den Emissionswerten nicht auf konkrete Werte ankommt sondern höchstens auf eine Kategorisierung. Bislang soll ein bloßer Mangelverdacht vorliegen, auf dessen Basis eine Neulieferung nicht in Frage komme. Des Weiteren sei eine Neulieferung unmöglich, weil die Fahrzeuge ständig weiterentwickelt werden und deshalb ein baugleiches Ersatzfahrzeug nicht zur Verfügung steht. Auch führt die beklagte Autoverkäuferin an, dass sie sich das Verhalten der Volkswagen AG, als Hersteller des Fahrzeugs, nicht zurechnen lassen müsse.

Das Landgericht Augsburg entschied in seinem Urteil vom 30.06.2017, Az. 34 O 753/16 zugunsten des Klägers.

Nach Ansicht des Gerichts steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Nachlieferung eines neuen Fahrzeugs zu. Die Richter stehen dem Kläger umfassende Mängelrechte zu, die darauf beruhen, dass der Autoverkäufer seiner verschuldensunabhängigen Pflicht zur Lieferung eines einwandfreien Autos nicht nachgekommen ist. Deshalb muss der verklagte Autoverkäufer diese Pflicht im Rahmen der Nachlieferung eines mangelfreien Autos nachholen.

Das Gericht argumentiert, dass bei einem Autokauf üblicherweise ein besonderes Augenmerk auf die Unterhaltskosten und insbesondere auf die Verbrauchswerte gelegt wird. Dabei spielen auch die Emissionswerte eine immer größere Rolle, gerade im Hinblick auf ein steigendes Umweltbewusstsein. Die Richter sind zu der Überzeugung gelangt, dass diese Erwägungen auch beim streitigen Autokauf ein entscheidendes Kriterium waren. Die vom Verkäufer angegebenen Verbrauchswerte stellen dann eine Sollbeschaffenheit dar, bei der der Käufer davon ausgehen darf, dass diese stimmen und auch eingehalten werden. Das LG Augsburg stellt weiter fest, dass der Käufer davon ausgehen darf, dass das gekaufte Fahrzeug nicht nur mit Hilfe einer Schummelsoftware die angegebenen Verbrauchs- und Emmissionswerte einhält.

Aufgrund der Manipulationssoftware liegt jedoch eine eindeutige erhebliche Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit vor. Dies begründet einen Mangel gem. § 434 BGB. Nach Auffassung des Gerichts liegt nach allen Kriterien des § 434 BGB ein Sachmangel vor. Argumentiert wird von den Richtern dabei hauptsächlich mit der Werbung des Herstellers für die steigende Umweltfreundlichkeit seiner Autos. Da für die Kunden Umwelt- und Verbrauchswerte beim Autokauf eine immer größere Rolle spielen stellen die vom Hersteller angegebenen Fahrzeugwerte eine Beschaffenheitsvereinbarung dar, auch wenn zwischen dem Verkäufer und dem Käufer keine gesonderten Vereinbarungen getroffen worden sind.

Ein rechtlich relevanter Mangel liegt aus Sicht der Richter auch deshalb vor, weil ein mit einer illegalen Abgassoftware ausgestattetes Auto nicht die übliche und für den Käufer zu erwartende Beschaffenheit aufweist, die er nach der Art der Sache erwarten konnte.

Das Gericht kommt zu der Überzeugung, dass der Mangel, zumindest in dem konkreten Fall, nicht durch das Aktualisieren der Motorsoftware behoben werden kann. Damit ist eine Nacherfüllung durch Softwareupdate nicht möglich. Es werden von Seiten der Richter erhebliche Zweifel angemeldet, ob nicht eine negative Beeinflussung der Fahrzeugeigenschaften durch das Motorupdate eintreten wird, da der Hersteller diese Motorsoftware ansonsten von Anfang an in das Fahrzeug integriert hätte.

Des Weiteren haftet dem Fahrzeug dauerhaft ein merkantiler Minderwert an, da dem Fahrzeug immer der Makel des Abgasskandals anhaften wird. Dies wird sich nach Überzeugung des Gerichts auf die Weiterveräußerung negativ auswirken.

Auch die Unzumutbarkeit der Nachlieferung wird vom LG Augsburg abgelehnt! Argumentiert wird damit, dass zumindest ein steigender Verbrauch an AdBlue außer Frage steht. Ohne den Mehreinsatz von AdBlue würde das Fahrzeug nicht mehr zugelassen werden. Allein die höheren Verbrauchswerte bezüglich des AdBlue stellen eine negative Abweichung von den Vereinbarungen des Kaufs dar, sodass alleine dadurch ein Mangel begründet wird. Daher ist das Gericht der Ansicht, dass die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs sich in anderer Form fortsetzen würde. Darauf muss sich der Käufer jedoch nicht einlassen! Da der Mangel sich nicht beheben lässt kann dem Anspruch des Käufers auf vollständige Mangelbeseitigung durch ein Softwareupdate nicht entsprochen werden.

Aus diesem Grund kann der Kläger auch sein Wahlrecht nach § 439 Abs. 1 BGB dahingehend ausüben, dass er Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs verlangen kann. Da die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs anderenfalls nicht vollständig hergestellt werden kann, ist dem Beklagten auch zuzumuten die viel teurere Nachlieferung auszuführen. Nach Ansicht des Gerichts ist die Nachlieferung auch dann möglich, wenn die Fahrzeugmodelle inzwischen weiterentwickelt wurden. Bei dem Kauf handelt es sich nicht um ein Stückkauf, bei dem der Käufer sich ein einzelnes Auto ausgesucht hat, sondern um einen Gattungskauf, bei dem nur ein Fahrzeug aus einer bestimmten Modelpalette geschuldet ist. Gerade die Beklagte, als Fahrzeugverkäuferin, hat die Auswahl getroffen, welches Fahrzeug ausgeliefert wird. Nach Ansicht des Gerichts steht eine Weiterentwicklung des Fahrzeugmodels einer Nachlieferung nicht im Wege, da das Gericht davon ausgeht, dass die Fortentwicklung des Fahrzeugmodells nur der "Modellpflege" dient. Die Modelpflege kann nach Überzeugung der Richter nicht dazu führen, dass die neueren Autos ein Aliud zu dem ursprünglichen Fahrzeugmodel darstellen.

Das Gericht kam zudem zu dem Schluss, dass an der Zumutbarkeit einer Neulieferung eines mangelfreien Fahrzeugs, Angesichts der Gesamtumstände, nicht zu zweifeln sei. Zu beachten ist insbesondere die schwere der Manipulation, mit der eine absichtliche Täuschung der Käufer erreicht werden sollte. Der Hersteller hat auf Kosten der Kunden Entwicklungskosten eingespart und damit erhebliche Gewinne eingefahren. Als 100%-ige Tochter des Herstellers muss sich die Beklagte deren Verhalten zurechnen lassen.

Der Kläger erhält also ein neues mangelfreies Fahrzeug und muss im Gegenzug sein altes mangelhaftes Fahrzeug zurückgeben. Zudem muss der Kläger Nutzungsersatz für die Nutzung des Fahrzeugs bezahlen.

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